Freitag, 23. November 2012

Offener Brief zu den Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen „übler Nachrede“ im Nachgang zu einer Abschiebung einer Roma-Familie

Antirassistische Solidarität und Kritik lassen sich nicht verbieten!

Am 27.7.2012 wurde in einer mit vielen PolizistInnen und Wachleuten abgesicherten Abschiebeaktion der Hamburger Ausländerbehörde in der Unterkunft Billstieg eine Romafamilie aus Mazedonien auseinandergerissen. Der kurz zuvor aus der Psychiatrie entlassene Vater der siebenköpfigen Familie wurde abgeschoben. Die Abschiebung weiterer Familienmitglieder und der Mutter scheiterte nur daran, dass sich ein Teil der Kinder auf einer Ferienfreizeit der „Falken“ auf der Insel Föhr befanden.

Freunde der Betroffenen informierten Menschen aus dem Hamburger Flüchtlingsrat und der Gruppe „kein mensch ist illegal“, die sich seit zwei Jahren gemeinsam mit den von Abschiebung Bedrohten in der Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Hamburg um ein Bleiberecht für die Familien bemühen. Die direkt und indirekt Betroffenen hatten aufgrund ihres unsicheren Aufenthalts Angst, den Vorgang selbst öffentlich zu machen. Aufgrund der hohen Übereinstimmung der Beschreibungen vieler Anwesender machte deshalb die UnterstützerInnengruppe die näheren Umstände der Abschiebeaktion öffentlich, so wie diese von den Augenzeugen beschrieben worden waren. Auch der abgeschobene Familienvater bestätigte ihre Schilderungen am nächsten Tag in einem per Skype geführten Gespräch. Eine Einzelperson wurde als Ansprechpartner benannt und gab der Presse auf Nachfrage die erhaltenen Informationen weiter. In den Folgetagen berichteten zahlreiche Hamburger Medien über diese Abschiebung.

Vor diesem Hintergrund leitete die Dienststelle für Interne Ermittlungen (DIE) am 30.7.2012 ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Mitarbeiterinnen der Ausländerbehörde wegen des Verdachts der Nötigung ein. Bereits am 2.8.2102 wusste der Innensenator das Ergebnis der gerade erst begonnen Ermittlungen: Die Ausländerbehörde habe sich nichts vorzuwerfen. Es habe ein „ruhiges und friedliches Gespräch“ stattgefunden, worauf hin der Familienvater „freiwillig zum Flughafen gefahren“ sei (Hamburger Morgenpost, 3.8.12).

Nachdem die staatsanwaltlichen Ermittlungen Anfang September 2012 eingestellt und auch die Restfamilie abgeschoben worden war, stellte die Innenbehörde eine Woche später aufgrund der Presseberichte Strafanzeige wegen „übler Nachrede“ gegen die o.g. Einzelperson und die Staatschutzabteilung des Landeskriminalamts Hamburg begann gegen diese zu ermitteln.

Im August 2011 hatte Innensenator Michael Neumann erklärt: „Jeder einzelne Bürger ist dazu aufgefordert, Zivilcourage zu zeigen. Wenn jemand mitbekommt, dass sich Mitmenschen respektlos verhalten, sollte er den Mut haben, diese darauf hinzuweisen.“(Hamburger Abendblatt 12.8.2011)

Wir, die unterzeichnenden Gruppen und Einzelpersonen, sehen die in der Tat notwendige Zivilcourage in Gefahr, wenn Menschen kriminalisiert werden, die praktische Solidarität mit Flüchtlingen und MigrantInnengruppen zeigen, die in dieser Gesellschaft ausgegrenzt und nicht willkommen sind. Der überwiegende Teil der Unterstützung ist ohnehin unsichtbar und wird von vielen Menschen ehrenamtlich geleistet. Wenn der öffentlich sichtbare Teil der Solidarität kriminalisiert werden soll, ist die Gesellschaft in Gefahr, sich endgültig vom Gedanken der Solidarität zu verabschieden.

Das können und werden wir nicht hinnehmen
und fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungen!

Unterschriften bitte an:       


Montag, 19. November 2012

60 Aktivist_innen protestieren gegen Massenabschiebungen von Roma aus dem Lager in Horst

60 Aktivist_innen protestieren gegen Massenabschiebungen von Roma aus dem Lager in Horst (bei Boizenburg / MV) und bekunden ihre Solidarität mit den Betroffenen

Pressemitteilung der Kampagne Stop it! Rassismus bekämpfen – alle Lager abschaffen und der Antirassistischen Initiative Rostock; 19.11.2012

 Heute Morgen fanden sich vor dem Erstaufnahme- und Abschiebelager in Horst bei Boizenburg etwa 60 Aktivist_innen aus MV, Hamburg und Niedersachsen, sowie Politiker_innen der Partei Die Linke ein, um gegen die für heute geplante Massenabschiebung von Roma nach Serbien zu protestieren. 




Ein Bus des Boizenburger Unternehmens Go Trans sollte um 9 Uhr die etwa 50 Flüchtlinge, unter ihnen viele Kinder, von Horst direkt nach Serbien bringen. Die betroffenen Flüchtlinge wurden laut eigenen Angaben zuvor von den Behörden unter massivem Druck und Drohungen zu einer sogenannten „freiwilligen Rückkehr“ gedrängt.







 Kurzfristig meldete Christiane Schneider, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke Hamburg, spontan eine Kundgebung vor dem Eingang des Lagers an. Mit Transparenten und Sprechchören wie „Kein Mensch ist illegal! Bleiberecht überall!“ zeigten sich die Demonstrant_innen solidarisch mit den betroffenen Roma. Auch viele der Roma aus dem Bus sowie aus dem Lager stimmten in die Sprechchöre ein und forderten, die Abschiebungen zu stoppen. Vor Ort versuchten Aktivist_innen mit einer Sitzblockade den Bus an seiner Abfahrt zu hindern. 




 Trotz aggressiven Verhaltens seitens der Polizei, die Demonstrant_innen aus der Blockade wegtrug, konnte die Abfahrt des Busses um mehrere Stunden verzögert werden. 



Zum Ende wurde in einem gemeinsamen Gespräch mit den Personen im Bus die Auflösung der Blockade beschlossen, um die emotional belastende Abschiebesituation vor allem für Kinder nicht weiter in die Länge zu ziehen. „Durch den Protest haben wir verhindert, dass die Abschiebungen fernab der Öffentlichkeit stattfinden. 


Gerade die abgeschiedene Lage des Lagers in Horst erschwert jedoch die Möglichkeit einer kontinuierlichen Unterstützung der Flüchtlinge und des Widerstands gegen Abschiebungen.“, so Kim Ayalan, Pressesprecherin der Kampagne „Stop it! Rassismus bekämpfen – alle Lager abschaffen“.

In Serbien erwartet die Abgeschobenen ein Leben, dass durch strukturelle antiziganistische Diskriminierung und Verfolgung gekennzeichnet ist. Als Minderheit wird ihnen der Zugang zu Arbeitsmarkt, medizinischer Versorgung und Bildungssystem fast vollständig verwehrt. Ein Großteil der Roma ist von Obdachlosigkeit und großer Armut betroffen. Für Hikmat Al-Sabty, Landtagsabgeordneter und migrationspolitischer Sprecher der Partei Die Linke, ist diese Diskriminierung ein Asylgrund. „Die Roma müssen einzeln angehört werden und verdienen ein faires Asylverfahren!“. Darüber hinaus appellierte er, sowie auch der Hamburger Flüchtlingsrat und die Stop it! Kampagne an die Regierung von MV, die Abschiebungen zumindest für den Winter auszusetzen.

„Die heutige Massenabschiebung in Horst muss im bundesdeutschen Kontext betrachtet werden. Die antiziganistische Hetze, die vom Bundesinnenminister Friedrich sowie von den Landesinnenministern Caffier (Mecklenburg-Vorpommern) und Schünemann (Niedersachsen) geschürt wird, in der Roma kollektiv der Missbrauch des Asylrechts vorgeworfen wird, hat für die Betroffenen fatale Folgen. Der derzeitige Umgang mit Roma 20 Jahre nach dem Pogrom in Lichtenhagen und kurz nach der Einweihung des Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, ist für uns unsäglich und zeigt wie tief Antiziganismus weiterhin auch auf institutioneller Ebene verankert ist!“

Wir fordern die politisch Verantwortlichen in MV und wie auch in Hamburg auf, alle weiteren Abschiebungen und erzwungenen "freiwilligen Rückkehren" nach Serbien und Mazedonien sofort zu stoppen!
 



Samstag, 17. November 2012

20.Jahrestag des rassistischen Brandanschlages von Mölln

Das Haus der Familie Arslan wurde am 23.11.1992 von neofaschistischen Tätern mit Molotow-Coctails angezündet.

Bei dem Anschlag wurden die 10jährige Yeliz Arslan, die 14jährige Ayse Yilmaz und dei 51jährige Bahide Arslan ermordet.Weitere Familienmitglieder wurden teilweise serh schwer verletz.Zuvor hatten neonazis bereits ein Brandanschlag auf die Ratzeburgerstrasse 13 verübt, wo ebenfalls Menschen türksicher herkunft wohnten.Neune von Ihnen erlitten schwere verletzungen.

Maßstab für das Gedenken waren die vorstellungen der Überlebende .Denn die überlebenden rassistischer und faschistischer Gewalt sind keine Statisten.Sie mundtot zu machen,ist ein angriff gegen soe als zeugen des geschehenen und gegen ihre erinnern.


Den angriff tretten wir gemeisam entgegen- für eine antifaschistische und antirassistische Geselschaft.

Freundeskreis im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992.

Heute 17 November hat eine bundesweite antifaschistische Demonstration in Mölln stattgefunden

Die überlebenden geführt durch die leere strassen von Mölln von den Familien der ermordeten.

Unsere Familie ist gross sagte eine der Familien angehörigen und es hat so viel jahre gedauert bis wir das erleben konnten. Jetzt sind wir nicht mehr alein .Danke das ihr hierher gekommen seid!





Vor dem Haus wo der Brandanschlag statgefunden hatte hileten die demonstrant_innen
.
                                                                eine schweigeminute


Mit ein Konzert "reclaim and remember" geht die Gedenk veranstatltung weiter in die Stadtwerke-Arena



Redebeitrag Ramazan Avci Initiative (RAI) am 17.11.2012 in Mölln
Bundesweite Demo : 

Das Erinnern wach halten – 20 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag von Mölln

Heute sind wir hier in Mölln, wo  vor 20 Jahren  drei Menschen auf grausamste Weise ermordet wurden. 
Mitverantwortlich an dem Tod von Bahide und Yeliz Arslan sowie von Ayse Yilmaz sind die rassistischen Hetzer.
Nach der Wiedervereinigung richtete sich diese Hetze gegen alles was als „Undeutsch“ galt. Obdachlose, Punks, Humanisten, Flüchtlinge oder MigrantInnen. Die Hetze diente der Schaffung einer neuen nationalen Identität für Herkunftsdeutsche. Deutschland musste sich als Nation neuerschaffen und knüpfte an altbewährte Traditionen an. Ausgrenzen und zur Zielscheibe erklären. „Wir“ und die „Anderen“ als neue Identitätsfindungsstrategie. 
Die faktische Abschaffung des Asylgrundrechtes wurde mit diesen Morden durchgesetzt. 
Wenige Tage nach Mölln,  haben sich CDU/CSU, FDP und SPD auf den sogenannten Asylkompromiss geeinigt. Wenige Tage nach Solingen ist im Bundestag das Asylgrundrecht abgeschafft worden. Symbolträchtiger kann man die rassistische Arbeitsteilung nicht inszenieren.
Den Opfern beizustehen fiel den politisch Verantwortlichen selten ein.
Weder der damalige SPD Ministerpräsident Engholm noch der Bundeskanzler Kohl oder der Bundespräsident ließen sich bei den Protesten in Mölln blicken. Der Einheitskanzler wollte keinen Beileidstourismus, wie er es nach Solingen formulierte. 
So steht diese Kleinstadt symbolisch für die rassistische Hetze der 90er Jahre.  Obwohl der Brandanschlag von Mölln weder der Anfang noch das Ende der rassistischen Morde ist. Im In- und Ausland ist Mölln durch diese Morde bekannt geworden. Selten erringen Kleinstädte einen derart nachhaltigen Ruf wie Mölln. Da mag es für  Mölln wie ein Trost erscheinen, dass durch Solingen eine weitere Stadt einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreichte. 

Wir wurden mit diesen Morden sozialisiert. Sie haben sich in unseren Gedächtnissen verewigt.
Den MigrantInnen wurde schlagartig bewusst, dass nicht nur Asylbewerber oder Flüchtlinge zur Zielscheibe werden konnten.
Sie organisierten sich.  Zum Teil bewaffneten sie sich und sorgten oft in Selbstschutzaktionen dafür, dass auch die Rassisten zur Zielscheibe wurden.
An den Protesten am 27.11.92 in Hamburg beteiligten sich annährend 15.000 Menschen.  Die Schulen wurden boykottiert, viele Geschäfte und Imbisse blieben aus Protest geschlossen. Die Arbeit wurde von einigen niedergelegt.
Wir konnten Hoyerswerda, Rostock, Mölln , Hünxe und Solingen nicht verhindern.  Es sind mehr als 180 Opfer seit den 90ern zu beklagen. Noch heute werden täglich 45 rechtsextremistische Taten gezählt.
Wir müssen uns ebenfalls schonungslos eingestehen, dass sich niemand bei den NSU Morden ernsthaft vorgestellt hat, dass es eine Serientat von Rassisten ist.  Migrantenverbände, NGOs, Linke oder Antifas haben sich bis November 2011 an der Bezeichnung „Döner-Morde“ oder SOKO Bosporus nicht gestört.
Sie haben sich für diese Morde kaum interessiert. Dass die Familien drangsaliert,  ins kriminelle Milieu gerückt und isoliert wurden, hat selten gestört. Wir wollen keine Geschichtsverklitterung betreiben.
Das Problem heißt Rassismus.  Damit müssen wir uns selbst als ein Teil des Problems begreifen. Wir müssen uns und unsere Privilegien in Frage stellen.

Wenn sich die sog „Zwickauer Nazizelle“ jahrelang frei bewegen und morden konnte, dürfen wir nicht damit rechnen, dass die rassistischen Morde in Deutschland ein Ende nehmen werden.
Aus den NSU Morden lernen heißt für uns, kein absolutes Vertrauen in die staatlichen Instanzen zu setzen.  Es bedeutet nicht darauf zu warten, wann die Nazis wieder zuschlagen, sondern unseren Schutz auch selbst zu organisieren und uns an Ort und Stelle selbst zu verteidigen.

Unsere Geschichte können und wollen wir selbst bestimmen. Wir wollen nicht, dass sich eine institutionalisierte Erinnerungskultur breit macht, die jegliche Verantwortung von sich weist.
Historische Kontinuitäten müssen wir benennen, um wachsam zu sein.
Nach dem kürzlich der 20 Jahrestag von Rostock-Lichtenhagen mit der Einpflanzung einer deutschen Eiche feierlich begangen,  und das Mahnmal zur Erinnerung an die Ermordung von Roma und Sinti eingeweiht wurde, findet wieder eine rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und im speziellen gegen Roma und Sinti statt. Es regt sich wieder kaum ein Widerstand in dieser Gesellschaft. Wir können agieren und uns der rassistischen Hetze entgegen stellen, gleichgültig gegen wen sie sich richtet. Wir müssen offensichtliche Rassismen benennen, dort wo wir sie vorfinden. Intervenieren, wenn wir Rassismus  erleben.




Wir haben mit unserer Initiative zum Gedenken an Ramazan Avci erklärt, dass seine Ermordung im Jahre 1985 ein Wendepunkt in der Geschichte der Migranten darstellte.
Unsere Initiative hat vor 2 Jahren- am 25. Jahrestag der brutalen Ermordung Ramazan Avcis  durch Nazis am Hamburger  S-Bahnhof Landwehr zu einer Versammlung aufgerufen.  Wir haben die Umbenennung des Bahnhofvorplatzes in Ramazan-Avci-Platz gefordert.
Die offizielle Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes  wird nun am 19.Dezember erfolgen.  Bereits Anfang Dezember wird der HVV die Bushaltestelle am Bahnhof nach Ramazan Avci benennen.
Einige Angehörige der NSU Morde haben ähnliche Forderungen aufgestellt und teilweise wie in Kassel schon durchgesetzt.
Was andernorts selbstverständlich ist, scheint bislang in Mölln ein Affront zu sein.
Ignatz Bubis, der verstorbene Vorsitzender des Zentralrats der Juden mahnte  bereits beim ersten Gedenktag am 23. November 1993 in Mölln:
„Wenn wir die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten lassen, dann nicht um Schuldgefühle zu erzeugen, sondern wir tun es für die Zukunft“.
Wir sind wütend und empört darüber, dass es in Mölln nicht gelingt, einige Straßen nach den Opfern des rassistischen Brandanschlages von 1992 zu benennen. Es ist schleierhaft welches politische Kalkül dahinter steckt?
In Kiel und Köln wurde eine Straße nach Bahide Arslan benannt.
Wir werden nicht aufhören den Bürgermeister von Mölln zu fragen:
„Wie lange wollen sie denn hier noch warten? Wann, wenn nicht spätestens jetzt, Herr Bürgermeister Wiegels?
Müssen wir erst  internationalen Druck auf ihren Kurort mobilisieren, den sie  durch ihr Nichthandeln an diesem Punkt weiter diskreditieren?

Wir geben unser Versprechen, wir werden keine Ruhe geben, bis das realisiert ist.
Wir fordern auch eine würdige Gedenktafel. Keinen Schild, was an eine Arztpraxis erinnert.

Wir fordern eine Bahide Arslan Straße

Wir fordern eine Ayse Yilmaz Straße
Wir fordern eine Yeliz Arslan Straße

Jetzt und sofort und in Mölln, nicht nur woanders.
  Hamburg/Mölln, 17.11.12