Samstag, 14. Dezember 2013

Prozesserklärung 13.12.13 - Flughafen Prozess wegen Theater Aktion gegen Dublin2 30.3.12

                                                   
Gestern fand der Prozess statt, gegen eine der Stewardessen der Theater Aktion am Hamburger Flughafen am 30.03.12. Damals während der angemeldete Aktion, versuchten Polizeibeamten  die
Kundgebung/Aufführung aufzulösen. Mit Hilfe von Gewalt und Pfefferspray. Theaterbanausen.

Die Besucherinnen des Frisörsalons am Flughafen könnten bestimmt noch heute, zwei Jahre später, darüber was sagen, weil das Pfefferspray auch bei ihnen ankam.

                     

Und wie es so immer ist: festnahmen mit gewalt und dann anzeigen wegen widerstand.
Alles ganz normal.  Die angeklagte und verprügelte Stewardess musste gestern nicht alein zum Gericht.
Über 50 FreundInnen kammen, auch Stewardessen Kolleginnen die vor dem Amtsgericht die Theater aufführung nochmals präsentierten.

Die antirassistsche Solidarität füllte das Gericht und als der Richter alle im prozess saal einlud, konnte die hälfte draussen bleiben.
Es fand keine gerichts verhandlung statt, sondern die Ankündigung einer Einigung mit dem die angeklagte 120.- euro strafe zahlen musste,  dafür das sie verprügelt, Festgenommen und paar stunden eingespert worden war. Ein Schnäppchen.

Ihre prozess erklärung ging aber nicht über diese Ungerechtigkeit, sondern sie sprach über das Dublin II verfahren und die konsequenzen davon. Über die mörderische EU Flüchtlings Politik die auch heute in Hamburg ankommende flüchtende nicht willkommen heisst und Ihnen kein Schutz gibt.
Am ende der Prozesserklärung gab es im Gerichts Saal, ein langen langen Applaus.

Freedom of movement is everybodys right!
we are here and we will fight!


hier die Erklärung:



Geflüchtete, die ihr Land verlassen mussten, sollen in der Europäischen Union (EU) Schutz erhalten. Hierzu sind die EU-Staaten völkerrechtlich und europarechtlich verpflichtet. Geflüchtete können sich allerdings nicht aussuchen, in welchem EU-Staat ihr Asylverfahren durchgeführt wird. Die Zuständigkeit des jeweiligen EU-Staates wird seit 2003 in der sog. Dublin II-Verordnung geregelt. Demnach können Menschen nur in dem EU-Land Asyl beantragen, das sie als erstes betreten haben und werden gegebenenfalls in dieses Land zurück abgeschoben. Dabei wird immer wieder in Kauf genommen, dass Familien auseinandergerissen und auch besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Zielland Haft und Elend ausgesetzt werden.

Das Dublin-Verfahren ist in den letzten Jahren zunehmend in die öffentliche Kritik geraten, insbesondere seit in zahlreichen Berichten von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl, dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), Human Rights Watch und Amnesty International die unzumutbare Flüchtlingssituation in Ländern wie Griechenland oder Italien dokumentiert und Abschiebungstopps in diese Länder gefordert wurden. 

Die Dublin II-Verordnung beruht auf der Annahme, dass Schutzsuchende in allen Mitgliedstaaten vergleichbare Mindeststandards vorfinden und dass über ihre Asylanträge unter vergleichbaren Verfahrensgrundsätzen mit vergleichbaren Chancen auf eine Anerkennung entschieden wird. In der Praxis ist das Fiktion. In Malta, Ungarn und Griechenland werden Asylsuchende inhaftiert oder der Obdachlosigkeit ausgesetzt, in Italien werden Geflüchtete gezwungen, auf der Straße oder in leerstehenden Gebäuden zu leben.  

Mit dem Verweis auf Dublin II verweigert der Hamburger Senat derzeit auch der Gruppe Lampedusa in Hamburg ein Bleiberecht. Zuständig sei Italien. In über 270 Fällen haben Verwaltungsgerichte allerdings bereits der brutalen Realität Rechnung getragen und sogenannte Dublin-Abschiebungen nach Italien gestoppt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat der Bundesregierung deutlich gemacht, dass eine Dublin-Abschiebung nach Italien eine unmenschliche Behandlung darstellen kann.

Es gibt sogar eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) vom 21.1.2011 in einem Dublin-Verfahren. Der EGMR hat in dem Verfahren Griechenland und Belgien u.a. wegen einer Verletzung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), dem Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, verurteilt1: Griechenland wegen der menschenrechtswidrigen Aufnahme-, Haft- und Asylverfahrensbedingungen; Belgien, weil in Kenntnis dieser Bedingungen eine Dublin-Überstellung nach Griechenland erfolgt ist.


In Fachkreisen und auch in der Öffentlichkeit ist inzwischen erkannt worden, dass die Dublin II-Verordnung in ihrer Anwendung zu erheblichen Problemen für Geflüchtete führen kann. Auch aus der Perspektive vieler  EU-Staaten ist das Dublin-II-System unsolidarisch.2

Der Protest gegen diese menschenverachtende Praxis der Dublin-II-Verordnung ebenso wie gegen Abschiebungen generell, ist nicht nur legitim, sondern dringend geboten! Eine Kriminalisierung dieser Kritik zeigt, dass offenbar kein Widerspruch zu der rassistischen und repressiven Politik Deutschlands und Hamburgs geduldet werden soll
Neben Protest und Kritik ist auch ziviler Widerstand gegen Rassismus und Abschiebungen möglich. Jeder und jede von uns trifft die Entscheidung selbst, nachzufragen und einzuschreiten oder wegzuschauen und nichts zu tun. Genau dies war auch Thema der Theaterperformance. Das solch eine Theaterperformance nun  eine strafrechtliche Verfolgung nach sich zieht--- macht einen erst sprachlos, dann wütend: In was für Verhältnissen leben wir eigentlich?

Vor wenigen Wochen „sind über 300 Geflüchtete bei einem Schiffsunglück vor der Insel Lampedusa ertrunken. Die wohl schlimmste Flüchtlingstragödie der letzten Zeit war kein trauriger Einzelfall, sondern das direkte Resultat der mörderischen EU-Asylpolitik, die seit 1993 schon über 16.000 Tote gefordert hat. Diese Politik der Abschottung und Abschreckung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, denn Migration und Flucht lassen sich weder aufhalten noch regulieren. Menschen werden sich ihr Recht auf Bewegungsfreiheit immer nehmen, solange sie zur Flucht […] gezwungen werden. Und unzählige eben dieser Fluchtgründe werden von der Politik genau der europäischen Staaten geschaffen, die sich als Heilsbringer der Demokratie und Menschenrechte feiern und gleichzeitig täglich Geflüchtete vor ihren Küsten und innerhalb ihrer Landesgrenzen in den Tod treiben. 

Der Hamburger Senat hat seit Monaten die konkrete Möglichkeit, einen Schritt in eine andere Richtung zu machen. Die Anerkennung der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” sowie der bedingungslose Zugang für illegalisierte Geflüchtete zum Winternotprogramm der Stadt wären rechtlich ohne weiteres möglich und die einzige menschliche Antwort auf die scheiternde EU-Asylpolitik. Eine weitere Blockadehaltung unterstreicht nur die Menschenverachtung der Regierenden in Hamburg und verlängert das Leid derer, deren Leben schon“  mehrfach – wie im Falle von Lampedusa in Hamburg in Libyen und Italien - „durch die EU-Politik zerstört wurde.“